Startseite | Impressum | Kontakt

 

Wirtschaftliche Verhältnisse im Ruhr-Lippe-Raum um 1590
von Björn Grube

Allgemeine Wirtschaftsbedingungen im frühneu-
zeitlichen Ruhr Lippe Raum

Die Haupthandelsstraße des heutigen Ruhrgebietes war der westfälische Hellweg, der vom Rhein bis nach Ostwestfalen führte und auf dem zahlreiche Importgüter aus dem Rheinland nach Westfalen transportiert wurden.1 Der Hellweg zeichnete sich im Vergleich zu anderen Straßen dieser Zeit durch relativ gute Straßenverhältnisse aus.2 Zum Verkehr auf den Straßen kam im späten Mittelalter vermehrt der Schiffsverkehr auf der Ruhr hinzu. Daher wurde 1542 durch Herzog Wilhelm V. von Kleve das „Ruhrrecht“ verordnet, um die Schifffahrt auf der Ruhr gesetzlich zu regeln.3
Auch die Region Wetter besaß zur gleichenZeit wichtige Handelsstraßen, die das Amt Wetter mit den übrigen Teilen der Grafschaft Mark und anderen angrenzenden Regionen verband. So war eine Ost-Westverbindung vorhanden, die vom heutigen Wuppertal nach Schwelm und die Ennepestraße entlang,dann über Haspe nach Hagen und bei Wetter und Herdecke über die Ruhr führte. Auch bestand eine Nord- Ostverbindung, die von der Hagener Volmebrücke über die Herdecker Ruhrbrücke reichte und weiter bis zur Freien Reichsstadt Dortmund führte.4 Insgesamt erwies sich das Amt Wetter als vielfältige Wirtschaftsregion und war in der Lage, die meisten Güter sowohl für die Bewohner der Burg als auch für die Bewohner der Freiheit selbst zu produzieren.5 Begünstigt wurde die Situation durch die Ruhr, die zum einen als Wasserspender für die Weiden südlich des Flusses diente, zum anderen ist belegt, dass die Ruhr äußerst fischreich war.6

Landwirtschaft und Getreidehandel
Prägend für die Landwirtschaft und den Getreidehandel im Ruhr-Lippe Raum war die Agrarverfassung, die auf der Grundherrschaft, genannt Pachtherrschaft, basierte. In der Frühen Neuzeit waren die Bauern gezwungen, Abgaben an den Grundherrn zu leisten.
Allgemein war der gesamte Hellwegraum aufgrund von kalkhaltigen und weitestgehend waldfreien Böden führend im Getreideanbau. Auf den fruchtbaren Böden an Lippe und Emscher wurde Vöhdewirtschaft betrieben: Es wurde festgelegt, auf den Böden zuerst vier bis sechs Jahre Ackerbau zu betreiben, danach vier bis sechs Jahre Weidenutzung.7 Der Roggen war neben Weizen, Gerste und Hafer die bevorzugte Anbaupflanze im Ruhrgebiet. Insgesamt war das Getreide, aufgrund der sehr geringen gewerblichen Ausprägung dieser Region, die dominierende Einnahmequelle der Bewohner.8 Wichtige Kornmärkte entwickelten sich seit dem 17. Jahrhundert entlang der Ruhr, so unter anderem der Kornmarkt von Herdecke im Jahr 1649.9
Auch in der Region Wetter waren die Erlöse aus der Landwirtschaft die primäre Einnahmequelle. Hier wurden auf den fruchtbaren Ackerböden zwischen der Kirche von „Kerckwetter“ und den Stadtmauern der Freiheit Wetter hauptsächlich Roggen und Hafer angebaut.10

Kohlenförderung
Bereits um 1000 war Steinkohle im Ruhrgebiet bekannt, wobei man bis heute nicht eindeutig klären kann, in welcher Region des Ruhrgebietes die ersten Funde auftraten.11 Hirten, Bauern und Jäger nutzen die Kohle, die offen zutage trat, für ihre Feuer unter freiem Himmel.
Frühe Nachweise für Kohleförderung aus dem Bereich der Grafschaft Mark stammen aus der Zeit um 1450 aus Bochum, aus dem Bereich des heutigen Stadtteils Stiepel.12 Die Steinkohle war hier offenkundig bereits ein Handelsgut, das man in Fässern verkaufte. Rechnungsbücher des Bochumer Stadtschreibers Theile geben für die Zeit von 1517 – 1553 zu erkennen, dass Steinkohle in Bochum bereits für Heizzwecke verwendet wurde.13 Gesamtwirtschaftlich gesehen kann man davon ausgehen, dass die Kohle noch unbedeutend war, da sie in Bergwerksbüchern nicht erwähnt wurde.
Die Förderung erfolgte zunächst nur dort, wo die Kohle oberflächlich im Karbon zutage trat. Diese oberflächliche Kohle war wellenförmig im heutigen südlichen Teil des Ruhrgebietes zu finden zwischen Duisburg, den heutigen südlichen Stadtteilen der Städte Essen und Bochum und in östlicher Richtung weiter Richtung Hörde und Holzwickede, was die Region um Wetter und Herdecke mit einschließt.14 Der wirtschaftliche Nutzen der Kohle war anfänglich von geringer Bedeutung, da Abbau und Transport nur unter sehr schwierigen Bedingungen vollzogen wurden. Erst seit dem Spätmittelalter erfolgte eine Verbesserung der Abbaumethoden der Steinkohle, indem Schachtanlagen und seit dem 16. Jahrhundert die ersten Stollen errichtet wurden. 15 Diese Stollen wurden möglichst kostengünstig errichtet, indem man die Abmessungen möglichst gering hielt und sie nur notdürftig mit einem Holzausbau sicherte.
Das Amt Wetter bildete im Ruhrgebiet eine der ältesten zusammenhängenden Kohlenabbauzonen, da die geologischen Gegebenheiten hier besonders günstig waren und die Kohle an vielen Stellen der Berger und Täler offen zutage trat.16 Seit dem 16. Jahrhundert wurden in der Region Wetter nach und nach die Arbeiten von Bergleuten durchgeführt und die Bauern aus dem Bergbau verdrängt. Eine Urkunde aus dem Jahr 1519 belegt, dass die Steinkohle in der Region Wetter zum Handelsgut wurde und eine Einnahmequelle für die Region war.17 Ebenso ist belegt, dass 1541 in Wetter eine Bergbauverordnung erlassen wurde, um dem Raubbau entgegenzuwirken.

Verarbeitendes Gewerbe
Verarbeitendes Gewerbe war im Ruhr- Lippe Raum im Gegensatz zum Bergischen Land nur sehr rar angesiedelt. Es bestand ein Schmiedegewerbe mit Schmieden in Dortmund, Essen, Steele und Werden, wobei die Essener Schmieden besonders hervorzuheben sind. Dort war neben Gold- und Waffenschmieden auch eine Gewehrfabrikation ansässig mit einer jährlichen Ausfuhr im Jahr 1550 von etwa 2000 Gewehren.18 Durch das Wachstum der Schmiede wurde die Steinkohle ein unverzichtbares Brennmaterial und ließ in der Region um Essen viele neue Stollenbetriebe entstehen.19
Zünfte und Gilden in den Städten nahmen auf das verarbeitende Gewerbe sehr großen Einfluss und bemächtigten sich an der Güterherstellung. Gewerbetreibenden war es untersagt, Handel auf dem Land zu treiben, die Bauern waren gezwungen in die Städte zu reisen, um dort ihre Waren abzusetzen. Schwerpunkte des Handels waren Dortmund und Soest.20


Quellenauszüge

Viehwirtschaft im Raum Wetter

Wahr auch daß uff selbigen tagh unnd Abendt, wie solch deß entliebten Zitter und Mordt geschrey von den benachbartenn gehoerett, eine gemeinheitt zu Wetter gehaltten worden, dabei ehr Georgh Lackumb selich auch personlich gewesen. Derwegen wahr, daß unmoglich ist, daß ehr dazumahl die entliebungh hette tuen kunnen, dweill eben dazumahl zwischen tagh und Sonnen undergangh, dae vurgemeltes geschrey gehoertt, die gemein zu Wetter gehaltenn, dabei ehr Jurgen gewesenn, und nach der Handt zu Wetter die Pfortenn verschloßen worden.“ (LAV NRW W, RKG 24, Bd. 2, fol. 227v-288r)

Mit der „Gemeinheit zu Wetter“ ist der Brauch der Eingesessenen der Freiheit und des Dorfes Wetter angesprochen, sich jedes Jahr am Beginn des  Monats Mai zu versammeln, um vor Sonnenuntergang das Vieh auf die Weiden zu treiben. Da Georg Lackum (hier auch „Jurgen“ genannt) dabei gewesen war, wurde dies als Alibi angeführt.

Verkauf von Fischen und anderen Waren im Kramladen

wehre Jorien auffgestanden und in den kraem gadenn gegangen, darauß ein stuck stockfisches gebracht und gesprochen: ‚Siehe dahr, daß ist drie schillinghe werth’.“ (LAV NRW W, RKG 24, Bd. 2, fol. 366).

Eine Zeugin, Sophia Styne, sagte in einem Verhör aus, daß man im Kramladen von Georg Lackum nicht nur Fische, sondern auch andere Gebrauchsgegenstände wie Seife kaufen konnte. Zudem hatte Georg Lackum Butter und Käse in seinem Laden vorrätig. Georg Lackum ging, einem Schreiben des Drosten zufolge, auch selbst an der Ruhr nachts im Fackelschein fischen.

1 Spethmann, Hans: Das Ruhrgebiet. Im Wechselspiel von Land und Leuten, Wirtschaft, Technik und Politik, Essen 1933 (im Folgenden zitiert als: Spethmann, 1933), S. 106 – 117.

2 Spethmann, 1933, S. 106 – 107.

3 Spethmann, 1933, S. 107

4 Dösseler, Emil: Die Wirtschaft der Grafschaft Mark unter Brandenburg – Preußen 1609 1806, Altena 1961 (im Folgenden zitiert als: Dössler, 1961), S. 71-74.

5 Denzel, Ernst: Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt Wetter, Wetter 1952 (im Folgenden zitiert als: Denzel, 1952), S. 36.

6 Denzel, 1952, S. 36.

7 Spethmann, 1933, S. 84 – 91.

8 Engelbrecht, Jörg: Landesgeschichte Nordrhein – Westfalen, Stuttgart 1994 (im Folgenden zitiert als: Engelbrecht, 1994), S. 95..

9 Dösseler, 1961, S. 51 – 56.

10 Denzel, 1952, S. 37.

11 Huske, 2001, S. 9 – 12.

12 Huske, 2001, S. 19.

13 Huske, 2001, S. 19 – 20.

14 Engelbrecht, 1994, S. 84 – 91.

15 Dösseler, 1961, S. 18 – 21.

16 Denzel, 1952, S. 54.

17 Denzel, 1952, S. 56.

18 Spethmann, 1933, S. 120 – 127.

19 Huske, 2001, S. 25.

20 Engelbrecht, 1994, S. 82 -84.

 

Layout by Dominik Greifenberg