Eine Hinrichtung auf der Boeler Heide
von Ariane Czeczor
Widerruf der  Geständnisse und erneute Folter
      Nach dem Widerruf der  Geständnisse durch Georg und Anton Lackum auf dem Peinlichen  Gerichtstag vom 20. November 1591 plädierte das Amt Wetter über den  Urteilssprecher, „Printz zu Langerfeld“, zunächst auf einen  Aufschub der Urteilsvollstreckung von einem Monat. Die  Klevischen Räte ordneten daraufhin am 28. November eine erneute  Tortur an. In einem weiteren Schreiben vom 9. Dezember 1591 drängten  sie schließlich auf ein schnelles Verfahren mit baldiger  Hinrichtung, da die Kosten nicht mehr tragbar seien1.  Zwei Tage später antwortete Drost Bernhard von Romberg auf das  Schreiben der Räte: Nach der Androhung einer weiteren Folter hätten  die Gefangenen erneut gestanden2.
Die  Hinrichtung Georg Lackums am 11. Dezember 1591
         Die Anwaltsschrift  dokumentiert den Verlauf der Hinrichtung: Georg Lackum wurde hinaus  auf die Richtstätte der Boeler Heide geführt. Nachdem der  Scharfrichter ihm befohlen hatte niederzuknien, bat der Verurteilte  darum, öffentlich zu beten und der Gemeinde etwas vortragen zu  dürfen. In seiner Rede an das umstehende Volk und den Richter nahm  er sein Schicksal zwar willentlich an, verkündete aber, daß er die  Tat nicht begangen hatte. Er schwor, dass er an dem Mord keine Schuld  trug: “will aber den thodt daruff nhemen, daß ich deß Johentgens  bloett kheine schuldt habe”.3 Er beteuerte, dass er Johann von der Ruhr nicht mehr gesehen habe,  nachdem dieser nach Köln zur Gottstracht gewandert sei.
      Die Anwaltsschrift  dokumentiert den Verlauf der Hinrichtung: Georg Lackum wurde hinaus  auf die Richtstätte der Boeler Heide geführt. Nachdem der  Scharfrichter ihm befohlen hatte niederzuknien, bat der Verurteilte  darum, öffentlich zu beten und der Gemeinde etwas vortragen zu  dürfen. In seiner Rede an das umstehende Volk und den Richter nahm  er sein Schicksal zwar willentlich an, verkündete aber, daß er die  Tat nicht begangen hatte. Er schwor, dass er an dem Mord keine Schuld  trug: “will aber den thodt daruff nhemen, daß ich deß Johentgens  bloett kheine schuldt habe”.3 Er beteuerte, dass er Johann von der Ruhr nicht mehr gesehen habe,  nachdem dieser nach Köln zur Gottstracht gewandert sei.
        In seinem öffentlichen  Gebet inszenierte sich Georg Lackum als Märtyrer, indem er Gott  dafür dankte, daß er ihn für würdig erachtet habe, am Kreuz zu  sterben. Er ging noch weiter: Während seiner Rede zeichnete er mit  seinem Fuß ein Kreuz in den Boden und kniete sich darauf nieder.  Laut der Anwaltsschrift wurde Georg Lackum noch während seines  Gebets mit einem Schwert enthauptet. Anschließend wurde der tote  Körper auf ein Rad gelegt.4 Aus einem undatiertem Schreiben von Agnes Lackum geht hervor, dass  der Kopf anschließend auf einen Pfahl gesteckt wurde.5
        Unklar bleiben eine  Reihe von Details, so etwa, wie die Hinführung zur Richtstätte  verlaufen ist. War Georg Lackum – wie in der Frühen Neuzeit üblich  – mit einem Karren dorthin geführt worden? Und von wem war er  begleitet worden? Darüber hinaus werden Konflikte zwischen den  Vertretern des Landesfürsten und der Gerichtsgemeinde lediglich  angedeutet: Der Urteilsträger habe sich geweigert, die Kosten für  den Henker zu zahlen und sei daraufhin von dem Drosten eingesperrt  worden.6 Man kann nur mutmaßen, daß dieser Streit darauf zurückging, daß  dem Wunsch des Amtes auf einen einmonatigen Aufschub der Hinrichtung  nicht entsprochen worden war. 
        Dennoch: Die Akte  Lackum informiert uns eindeutig über eine bislang unbekannte  Hinrichtungsstätte im Amt Wetter – die Boeler Heide.  Regionalgeschichtliche Forschungen haben ergeben, dass als  Hinrichtungsort ebenfalls der Hasperbruch, südlich von Wetter, zur  Wahl hätte stehen können.7 Die Akte Lackum läßt jedoch erkennen, daß Hinrichtungen auf der  Boeler Heide keineswegs ungewöhnlich waren. Der Anwalt der Familie  Lackum schrieb, daß man dort Schelme und Diebe „zu exequieren  pflegt”.8
Das  „Theater des Schreckens“
         Dass der Hinzurichtende  sein Wort an die umstehenden Menschen richtete, war in der Frühen  Neuzeit nicht ungewöhnlich. Richard van Dülmen hat betont, dass  Delinquenten oftmals die Gelegenheit ergriffen, in der Öffentlichkeit  Gehör zu finden.9 Nicht nur der frühmoderne Staat, der ein Exempel zur Abschreckung  vor weiteren Straftaten statuierte, richtete sich also mit dem  Schreckensschaupiel an die Zuschauer, sondern auch die Angeklagten.10 Die sicherlich ergreifende Rede, in der sich Georg Lackum selbst als  Märtyrer bezeichnete, verfehlte seine Wirkung auf das umstehende  Volk, wie spätere Zeugenverhöre zeigen, keineswegs.
      Dass der Hinzurichtende  sein Wort an die umstehenden Menschen richtete, war in der Frühen  Neuzeit nicht ungewöhnlich. Richard van Dülmen hat betont, dass  Delinquenten oftmals die Gelegenheit ergriffen, in der Öffentlichkeit  Gehör zu finden.9 Nicht nur der frühmoderne Staat, der ein Exempel zur Abschreckung  vor weiteren Straftaten statuierte, richtete sich also mit dem  Schreckensschaupiel an die Zuschauer, sondern auch die Angeklagten.10 Die sicherlich ergreifende Rede, in der sich Georg Lackum selbst als  Märtyrer bezeichnete, verfehlte seine Wirkung auf das umstehende  Volk, wie spätere Zeugenverhöre zeigen, keineswegs. 
        Dass der Kopf, wie vom  Anwalt der Familie Lackum behauptet wurde, noch während des  öffentlichen Gebets abgeschlagen wurde, ist allerdings zu  hinterfragen: Hätte dies das Volk nicht gegen den Scharfrichter  aufgebracht? Allgemein kam es in der Frühen Neuzeit des öfteren  dazu, daß der Scharfrichter von der Menge angegriffen wurde, wenn  sich während einer Hinrichtung etwas Ungeplantes ereignete.
        Wie stand es um die  Ehre des Hingerichteten? Einerseits galt die Schwertstrafe als  ehrenvoller als eine Hinrichtung am Galgen. Andererseits wurde der  tote Körper nach der Enthauptung auf ein Rad gelegt. Dort sollte er  für alle sichtbar und zur Schande des Toten verwesen. Georg Lackums  Sohn Anton sollte dagegen, dem Urteil zufolge, diese Ehrenstrafe  erspart bleiben. Wäre es zu seiner Hinrichtung gekommen, hätte sein  Körper danach auf dem Kirchhof „ehrlich“ begraben werden  dürfen.11
1 L NRW W, RKG L24, Bd 2, fol 120.
2 L NRW W, RKG L24, Bd 2, fol 120ff.
3 L NRW W, RKG L24, Bd 2, fol 235r.
4 L NRW W, RKG L24, Bd 2, fol 234v und 235r.
5 L NRW W, RKG L24, Bd 2, fol 127v.
6 L NRW W, RKG L24, Bd 2, fol 233.
7Marra, Stephanie u.a.: Eine Hinrichtungsstätte als Schulstandort, in: Einblicke. Zeitschrift für Regionalgeschichte 2 (5 2002), [URL: http://www.historisches-centrum.de/einblicke/02/200206.html, zuletzt abgerufen am 24.08.09]
8L NRW W, RKG L24, Bd.2, fol. 234v.
9Dülmen, Richard van: Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale in der frühen Neuzeit, München 1995 ( im Folgenden zitiert als: Dülmen, 1995), S. 162.
10Dülmen, 1995, S. 144.
11L NRW W, RKG L24, Bd 2, fol 87.
