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Bernhard von Romberg, der Drost von Wetter – Eine unparteiische Person?
von Thomas Müller

Der Droste (oder auch: Amtmann) zu Wetter war ein wichtiger Faktor im Fall Lackum, da er die Exekutivgewalt vor Ort darstellte und somit als Bindeglied zwischen den Verdächtigen und den Entscheidungsträgern, den klevischen Räten, fungierte. Allgemein waren Amtmänner oder Drosten hohe Verwaltungsbeamte, die von einem fürstlichen Territorialherrn eingesetzt wurden, um dessen weitreichende Herrschaftsrechte für einen festgelegten Bezirk zu übernehmen.1

Bernhard von Rombergs Aufgabenbereich als Droste
Bernhard von Romberg war vom Herzog von Jülich-Kleve eingesetzt worden und verantwortlich für das Amt Wetter. Seinen Amtssitz hatte er auf der Burg Wetter.2
Ein Droste entstammte, gerade im 16. Jahrhundert, üblicherweise dem Adel, sein Bezirk war jedoch kein Lehen3, dementsprechend verfügte er auch nicht über eigene Herrschaftsrechte, sondern handelte durch die seines Herrn, war absetzbar und konnte seine Position nicht automatisch weitervererben.4 Umso bemerkenswerter ist es, dass Bernhard von Romberg, der seinen Stammsitz auf Haus Massen bei Unna hatte, schon als dritter Vertreter seiner Familie dem Amt Wetter vorstand. Zurückzuführen ist dies auf die Anstrengungen seines Vaters Georg, der 1589 dafür sorgte, dass Bernhard seine Nachfolge und damit, recht kurz vor dem Mord an Johann auf der Ruhr, das Amt des Drosten antreten konnte.5
Die Aufgaben eines Drosten, die von Romberg damit übernahm, lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: Zum einen die allgemeinen Verwaltungsaufgaben, zum anderen das, was man als polizeilich-rechtliche Aufgaben bezeichnen kann.6
Die allgemeinen Verwaltungspflichten umfassten beinahe alles, was die Organisation des Amtsbezirks betraf. So gehörte unter anderem die Eintreibung von Steuern und Kirchenzehnt im Amt, der Wegebau, die Aufbietung von Truppen im Kriegsfall dazu. Diese Aufgaben waren in Kommunikation mit der Regierung des Territoriums, den fürstlichen Räten, wahrzunehmen.7 Die Freiheit Wetter fiel allerdings nur beschränkt in seinen Amtsbereich. Bernhard von Romberg erbat 1594 selbst als Droste zu Wetter für die Bürgerschaft eine neue Abschrift der alten Freiheitsprivilegien.8
Auch in juristisch-polizeilicher Funktion, die neben der Bestrafung von kleineren Ordnungswidrigkeiten die Aufsicht über die Gerichte im Bezirk beinhaltete,9 war der Amtmann das oberste Exekutivorgan. In der Freiheit Wetter allerdings stellten sich die Verhältnisse noch etwas anders dar: Durch die Freiheitsprivilegien von 135510, verfügten Bürgermeister und Rat über das Recht, über kleinere Strafsachen zu verhandeln. Ein Mordfall wie der vorliegende Fall Lackum lag jedoch außerhalb deren Zuständigkeit.11 Was hatte nun ein Amtmann wie Bernhard von Romberg zu tun, wenn es in seinem Bezirk zu einem Schwerverbrechen, wie dem Mord an Johann auf der Ruhr, gekommen war? Zunächst diente der Amtmann wieder in seiner Funktion als polizeiliche Exekutive und hatte die Untersuchungen der Straftat zu übernehmen. Darunter fiel das Sammeln von Indizien, u.a. über die Verhöre von Zeugen und Verdächtigen. Wie der Fall Lackum zeigt, wurden die folgenden Schritte in enger Absprache mit den klevisch-märkischen Räten unternommen. Die aus seinen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse wurden ihnen vorgelegt, damit diese schwerwiegende Entscheidungen wie die Anordnung der Folter und letztendlich auch ein Urteil fällen konnten.

Bernhard von Romberg und der Fall Lackum
Im Mordfall Lackum war Bernhard von Romberg nach seinen Untersuchungen, wie er schnell deutlich werden ließ, völlig davon überzeugt, daß Georg und Anton Lackum die Täter waren. Dies hatte ihn, wie er gegenüber den Räten erklärte, dazu bewogen, sie in Haft nehmen und in das Gefängnis der Burg Wetter bringen zu lassen. Der Prozess zog sich jedoch, nachdem die Verhafteten nicht geständig waren und die Familie Lackum den Fährmann Jasper von der Ruhr als Täter beschuldigten, in die Länge.
Der Drost bemühte sich daraufhin, die Räte zu beeinflussen: Er trat für Belastungszeugen ein, deren Glaubwürdigkeit von der Familie Lackum bestritten worden waren. Letztendlich bewogen seine Argumente gegen Georg und Anton Lackum die Räte, deren Folter anzuordnen. Darüber hinaus drängte er nach dem Widerruf der Geständnisse darauf, eine zweite Folter durchführen zu lassen. Nach erneuten Geständnissen setzte er sich für eine schnelle Vollstreckung der Todesstrafe ein.12 Bernhard von Romberg gelang es offensichtlich, auch wenn das Urteil im Mordfall Lackum außerhalb seiner Autorität als Droste lag, starken Einfluss auf die Entscheidung der Räte zu nehmen.13
Hatte Bernhard von Romberg persönliche Motive, sich gegen Georg und Anton Lackum einzusetzen? Er selbst informierte im Januar 1592 die kleve-märkischen Räte darüber, daß sein Vater sich vor langer Zeit für den Vater des Mordopfers, Johann von der Ruhr, eingesetzt hatte: Er habe ihn als Fährmann eingestellt.14 Inwieweit dieses ältere Patronageverhältnis Bernhard von Romberg gegen die Familie Lackum, die sich im heftigen Erbschaftsstreit mit Johann von der Ruhr befanden hatte, eingenommen haben könnte, bleibt allerdings offen. Immerhin wird deutlich, daß der Drost die Folterungen zum Anlaß nahm, noch weitere Geständnisse zu erzielen: So sollte Georg Lackum auch gestanden haben, die Leiche eines seiner Verwandten, des Junkers Otto Henrich Schenkh thom Vorst, der mit seinem Knecht vor geraumer Zeit in der Ruhr ertrunken war, beraubt zu haben. Zusammen mit einem Fischer, zum Hove, habe er eines nachts beim Fischen in der Ruhr die Leiche gefunden, und dieser, um an einen Ring zu kommen, einen Finger abgeschnitten.15

Bernhard von Romberg als Angeklagter
So wichtig die Rolle des Drosten im Fall Lackum war, so war er aber auch nicht unangreifbar. Im Fall Lackum zeigt sich, daß man sich als Untertan über ihn beschweren und ihn beklagen konnte. Nach der Hinrichtung Georg Lackums und dem mysteriösen Tod Anton Lackums im Kerker der Burg Wetter, der wahrscheinlich auf die Haftbedingungen zurückzuführen ist, sah sich von Romberg 1594 mit rechtlichen Klagen konfrontiert, die letztlich sogar vor das Reichskammergericht gelangten.16 Hier mußte er sich dem Vorwurf aussetzen, durch zahlreiche ungerechtfertigte Handlungen den Tod zweier Menschen verursacht und die Ehre der Familie Lackum verletzt zu haben.17
Auch wenn es wohl nie zu einer Zahlung der geforderten Schadensersatzsumme18 gekommen ist, zeigt die Klage an sich doch, daß auch ein hoher obrigkeitlicher Beamter wie ein Drost die möglichen Folgen seiner Handlungen abzuwägen hatte und zu befürchten hatte, gegebenfalls zur Rechenschaft gezogen zu werden.


Quellenauszüge

Der Drost informiert die kleve-märkischen Räte und erwartet Entscheidungen

Stelle hiemitt zu Ewer Ehrwürden Edlen Liebden und Gnädigsten Erkentniß, was in dieser sachen der Gottlichen gerechtigkeitt zusteur und straiffungh der boeßheitt, soe ahn den armen jongen begangen, vorzunhemen seie und ist kheinn zweivell, under den drien ist der theter. Darnach dieselb mit empfehlungh Gottes sich ahm besten zu richten.
Wetter, den drieundzwantzigsten Octobris anno p. einundneuntzigh.“ (LAV NRW W, RKG 24, Bd. 2, fol. 63v)

Zu Beginn der Verhandlungen sprach der Drost von Wetter noch von drei Verdächtigen, weil Fährmann Jasper von der Ruhr für ihn als Täter noch in Frage kam. Seine Ermittlungen konzentrierten sich jedoch sehr bald auf Georg und Anton Lackum. Mit den Informationen, die der Drost den Räten übermittelte, hatte er fraglos große Einflußmöglichkeiten auf die Entscheidungen der Räte. Er war der höchste Beamte vor Ort. Seine Berichte waren die Grundlage für die Beratungen in Kleve. Andererseits erhielt der Drost regelmäßig und in kurzen Abständen von etwa drei Tagen Befehle von den Räten, wie weiter zu verfahren war. Damit sicherte sich die politische Zentrale des Herzogs ihre Autorität.

1 Kroeschell, Karl: Der Amtmann, Zur Kulturgeschichte eines Juristenberufs, in: Forum Historiae Iuris, Berlin 2002, S.2, URL: http://s6.rewi.hu- berlin.de/online/fhi/articles/0201kroeschell/0201kroeschel.htm, 24.08.09 (Im Folgenden zitiert als: Kroeschell, 2002)

2 Schoppmeyer, Heinrich: Die märkischen Freiheiten Blankenstein und Wetter, in: Märkisches Jahrbuch für Geschichte 103 (2003), S. 31-62 (im Folgenden zitiert als: SChoppmeyer, 2003). Zur Burg Wetter als Amtssitz des Drosten siehe S. 47.

3 Kroeschell, 2002, S.3.

4 Kroeschell, 2002, S.3.

5 Buschmann, Rudolf: Wetter an der Ruhr, Beitrag zur Geschichte der Heimat, Wetter an der Ruhr 1901, S.59 (Im Folgenden zitiert als: Buschmann, 1901).

6 Kroeschell, 2002, S.5ff.

7 Kroeschell, 2002, S.7.

8 Buschmann, 1901, S.168.

9 Kroeschell, 2002, S.6.

10 Schoppmeyer, 2003, S. 52f.

11 Buschmann, 1901, S.44.

12 Fuchs, Ralf-Peter: Recht und Unrecht im Verfahren Lackum, in: Andrea Griesebner u.a. (Hgg.): Justiz und Gerechtigkeit. Historische Beiträge. 16.-19. Jahrhundert (Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit 1), Innsbruck 2002, S. 149-168 (im Folgenden zitiert als: Fuchs, 2002), hier S. 153f.

13 Fuchs, 2002, S.154.

14 LAV NRW W, RKG L 24, Bd. 2, fol. 148.

15 LAV NRW W, RKG L 24, Bd. 2, fol. 178.

16 Buschmann, 1901, S.47-48.

17 LAV NRW RKG, L 24, Bd.1, S.20v - 23r.

18 LAV NRW RKG, L 24, Bd.1, S.23r.

 

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