Richter,  Freischöffen und Anwälte im Mordfall Lackum
      von Sascha Kruppa
Das  Gericht Wetter
              Das  Gericht Wetter entstand um 1300. Den Gerichtsbezirk bildeten  anfänglich nur die Gemeinden Wetter und Ende. Später kamen dann  noch die Gemeinden Wengern, Volmarstein und Herdecke  hinzu1.  In Bezug auf die Funktionen der Richter kann man sagen, dass sie  nicht berechtigt waren, über die Bewohner der Freiheit Wetter ein  Urteil zu fällen, soweit es um Angelegenheiten der niederen  Gerichtsbarkeit ging, die allein dem Bürgermeister und dem Rat  zustand2.  Als Vertreter des Landesherren waren sie jedoch sowohl im Amt als  auch in der Freiheit Wetter für die hohe Gerichtsbarkeit um Leib und  Leben zuständig. Sie hatten für ein ordnungsgemäßes Verfahren zu  sorgen und unterstanden dabei dem Drosten.
Der  Richter in Wetter um 1590
      Die  Akte Lackum vermittelt uns zahlreiche Details über das Rechtsleben  im Gericht Wetter. Der damalige Richter zu Wetter hieß Dietrich  Werning. Er war z.B. dafür zuständig, Zeugen zu verhören und für  eine Protokollierung der Ergebnisse zu sorgen. Man kann davon  ausgehen, daß er selbst lesen und schreiben konnte. Im Zuge der  Rezeption des Römischen Rechts verlangte man von den Richtern, daß  sie elementare Verfahrensgrundregeln beherrschten und sich notfalls  über juristische Literatur darüber informieren konnten.  Andererseits griff Richter Dietrich Werning nicht nur auf gelehrtes  Rechtswissen zurück, sondern auch auf mündlich überliefertes: Er  veranlasste, dass Jasper von der Ruhr dem Leichnam des Johann von der  Ruhr die Hand reichen musste, um die Bahrprobe zu bestehen. Der  Richter soll dabei „heftig“ um ein Zeichen  gebeten haben.3
 darüber informieren konnten.  Andererseits griff Richter Dietrich Werning nicht nur auf gelehrtes  Rechtswissen zurück, sondern auch auf mündlich überliefertes: Er  veranlasste, dass Jasper von der Ruhr dem Leichnam des Johann von der  Ruhr die Hand reichen musste, um die Bahrprobe zu bestehen. Der  Richter soll dabei „heftig“ um ein Zeichen  gebeten haben.3
      Richter  Werning kam zudem eine wichtige Rolle zu, nachdem Georg Lackum unter  der Folter den Mord an Johann von der Ruhr gestanden hatte. Er soll  Anton Lackum überredet haben, ebenfalls zu gestehen, da doch sein  Vater schon gestanden habe und es sich von daher nicht lohne, sich  die Glieder ausreißen zu lassen.4 Darüber hinaus lud er die Freischöffen an das Amtshaus, vor denen  das Geständnis von Georg Lackum bekräftigt werden mußte. Nach  überliefertem Recht war der Verdächtigte dabei „auf freie Füße“5 zu stellen. Er hatte sein Geständnis somit freiwillig, ohne Zwang,  zu wiederholen.
Die  Freischöffen
      Die  Freischöffen des Gerichts Wetter, die, ähnlich wie die Sieben  Freien in Bochum, ursprünglich bäuerlicher Herkunft waren und deren  Amt noch aus den Zeiten der Vemegerichtsbarkeit stammte, sind  namentlich genannt: Es handelte sich um „Diederich Froelingh“,  „Johann zu Oestenerde“, „Hermann Tacke“, „Jurgen Becker tho  Ermede“, „Borreß vor der Borgh“, „Johann fur der Borgh“  und einen gewissen „Jorgen“.6 Ob Georg Lackum vor ihnen sein Geständnis widerrufen hat, ist  allerdings umstritten. Drost Bernhard von Romberg behauptete, daß  beide Verdächtigten ihr Geständnis wiederholt und angeboten hatten,  mit 300 Talern ihre Tat zu sühnen: 100 Taler an das Hochgericht  Schwelm; 100 Taler an das Gericht Hagen und 100 Taler an das Gericht  Wetter, den Armen zur Verfügung .7 Er konnte  anläßlich der späteren Untersuchungskommission über einen Brief  seine Behauptung bekräftigen: In diesem erklärten die sieben  Freischöffen, daß beide Verdächtigten bei ihrem Geständnis  verblieben waren.8
Wer  fällt das Urteil?
         Das  weitere Prozedere nach erfolgter Wiederholung des Geständnisses vor  den Freischöffen bestand darin, am nächsten Tag einen „Endlichen  Gerichtstag“ anzuberaumen. Hier hatte das „gantze Ambt“9 zu erscheinen, was offensichtlich bedeutete, daß sämtliche  rechtsfähigen Männer des Amtes Wetter zusammengerufen wurden. An  das „gantze Ambt“ wurde nun die Frage gerichtet, ob der  Verdächtigte nach Tat und Geständnis zur Leibesstrafe zu  verurteilen sei. Anschließend wurde dem „gantzen Ambt“ die  Gerichtsakte übergeben – und nach dem Verlesen der Akte fällte  das „gantze Ambt“ das Urteil. Ein Urteilträger überbrachte  daraufhin dem Richter die Entscheidung, der einen Holzstab über dem  Verurteilten zerbrach. Schließlich wurde er dem Scharfrichter zur  Vollstreckung übergeben.
      Das  weitere Prozedere nach erfolgter Wiederholung des Geständnisses vor  den Freischöffen bestand darin, am nächsten Tag einen „Endlichen  Gerichtstag“ anzuberaumen. Hier hatte das „gantze Ambt“9 zu erscheinen, was offensichtlich bedeutete, daß sämtliche  rechtsfähigen Männer des Amtes Wetter zusammengerufen wurden. An  das „gantze Ambt“ wurde nun die Frage gerichtet, ob der  Verdächtigte nach Tat und Geständnis zur Leibesstrafe zu  verurteilen sei. Anschließend wurde dem „gantzen Ambt“ die  Gerichtsakte übergeben – und nach dem Verlesen der Akte fällte  das „gantze Ambt“ das Urteil. Ein Urteilträger überbrachte  daraufhin dem Richter die Entscheidung, der einen Holzstab über dem  Verurteilten zerbrach. Schließlich wurde er dem Scharfrichter zur  Vollstreckung übergeben.
      Bei  diesem von den Anwälten der Räte, des Drosten und der Richter  beschriebenen allgemeinen Prozedere ist allerdings zu  berücksichtigen, daß das eigentliche Urteil, wie im Fall Lackum zu  sehen, bereits zuvor von Seiten der Fürstlichen Räte gefällt  worden war. Auf dem Endlichen Rechtstag ging es von daher eher um den  symbolischen Akt einer Bestätigung des landesherrlichen Urteils  durch die Gerichtsgemeinde.
      Georg  Lackum und Anton Lackum widerriefen nun am Endlichen Gerichtstag, der  am 20. November 1591 abgehalten wurde, ihre Geständnisse und sagten  vor der Gemeinde aus, daß sie nur aus Furcht vor weiteren Schmerzen  unter der Folter gestanden hatten. Die Urteiler und deren Sprecher  mit dem Namen  „Printz zu Langerfeld“ plädierten danach für  einen einmonatigen Aufschub der Vollstreckung.10 Daran zeigt sich, daß die Gerichtsgemeinde in Wetter um 1590, trotz  der hohen Bedeutung des landesherrlichen Justizapparates, durchaus  noch eine Mitwirkung an der Rechtssprechung beanspruchte und  wahrnahm.
Anwälte
       Das  Nebeneinander traditioneller und moderner Verfahrenselemente, das den  Fall Lackum prägte, wird auch durch die Beteiligung von Anwälten  deutlich. Die zahlreichen Prozeßschreiben der Familie Lackum können  nur mit juristischer Mitwirkung entstanden sein. Dietrich Lackum  hatte nachweislich Kontakte zu einem Notar in Dortmund.11 Nachdem die Angelegenheit an das Reichskammergericht gelangt war,  traten Anwälte noch stärker in Erscheinung. Dietrich Lackum und  seine Angehörigen wurden hier vertreten durch Jacob Streit als  Prokurator und Joachim Toelmann (auch Telemann) als Advokaten. Für  die Beklagten trat Andreas Pfeffer als Prokurator auf.
      Das  Nebeneinander traditioneller und moderner Verfahrenselemente, das den  Fall Lackum prägte, wird auch durch die Beteiligung von Anwälten  deutlich. Die zahlreichen Prozeßschreiben der Familie Lackum können  nur mit juristischer Mitwirkung entstanden sein. Dietrich Lackum  hatte nachweislich Kontakte zu einem Notar in Dortmund.11 Nachdem die Angelegenheit an das Reichskammergericht gelangt war,  traten Anwälte noch stärker in Erscheinung. Dietrich Lackum und  seine Angehörigen wurden hier vertreten durch Jacob Streit als  Prokurator und Joachim Toelmann (auch Telemann) als Advokaten. Für  die Beklagten trat Andreas Pfeffer als Prokurator auf.
1 Rudolf Buschmann: Das Gericht Wetter, in: Märkisches Jahrbuch für Geschichte 13 (1898/1899), S. 107-132 (im Folgenden zitiert als: Buschmann, 1898), hier S. 114.
2 Buschmann, 1898, S. 114.
3 LAV NRW W RKG L 24, Bd. 2, fol. 61.
4 LAV NRW W RKG L 24, Bd. 2, fol. 174.
5 LAV NRW W, RKG L 24, Bd. 1, fol. 60.
6 LAV NRW W, RKG L 24, Bd. 2, fol. 255.
7 LAV NRW W, RKG L 24, Bd. 2, fol. 177.
8 LAV NRW W, RKG L 24, Bd. 2, fol. 246.
9 LAV NRW W, RKG L 24, Bd. 1, fol. 60.
10 LAV NRW W, RKG L 24, Bd. 2, fol. 89ff.
11 LAV NRW W, RKG L 24, Bd. 1, fol. 46ff.
